Wohnquartier Pfinzstraße, Durlach

Das zur Neubebauung vorgesehene Grundstück am Rande der Altstadt von Durlach weist ein heterogenes Umfeld auf: von Resten älterer Blockrandbebauung über Wohnblocks der siebziger Jahre bis hin zur gegenüberliegenden Werkhalle der Maschinenfabrik. Das Gassensystem der Altstadt findet an der Pfinzstraße sein Ende, die nördliche Wohnbebauung ist gekennzeichnet durch stichartige Erschließungswege und autofreie Wohnhöfe.

Unsere Überlegungen basieren auf zwei Beobachtungen:

  1. Die Orientierung des Grundstücks lässt zwei Bereiche entstehen - eine ruhigere, hofartige Zone im Norden, introvertiert und durch die umliegende Bebauung geschützt, und eine straßenbegleitende, öffentlichere Bebauung im Süden, die ganz unterschiedliche Qualitäten aufweisen.
  2. Das Grundstück liegt an der Schnittstelle unterschiedlichster Körnungen, von Einzelgebäuden über Haus-Hof-Anlagen bis hin zum Blockrand, zu großmaßstäblichen Solitären und Zeilenbebauung. Die Wahrnehmung des Passanten orientiert sich jedoch an der eher kleinmaßstäblichen Bebauung der Altstadt, daher scheiden Großformen für eine Überbauung aus.

Typologie

Die Bebauung trägt den unterschiedlichen Gegebenheiten Rechnung und unterscheidet in Gartenhäuser und Straßenriegel. Während letzterer ein eher städtisches Wohnen mit umlaufenden Balkonen, Laubengängen und kleineren Appartements vorsieht, sind die Gartenhäuser als klassische Zweispänner organisiert. Durch die leichte Staffelung der Baukörper werden der Hofraum gegliedert und den Wohnungen besondere Ausblicke zuteil. Die Kleinteiligkeit der Anlage erleichtert eine individuelle Adressbildung, der Quartiershof bindet die einzelnen Gebäude zu einem Ensemble zusammen. Alle Wohnungen sind barrierefrei zugänglich.

Städtisches Wohnen im Wohnregal

Der nach Süden ausgerichtete Riegel entlang der Pfinzstraße mit Blick zur Altstadt dockt über vorgelagerte Freibereiche mitsamt seiner Erschließung an die westlich gelegene Brandwand der bestehenden Wohnbebauung an. Basierend auf einem Schottensystem, sind alle Wohnungen als Nord-Süd-Typen ausgebildet und querlüftbar. Über einen Laubengang werden maximal bis zu drei Wohneinheiten erschlossen. Zum Hof orientiert, entsteht hier eine halböffentliche Filterzone, die vielfältige Aktivitäten der Bewohner zulässt. Im Süden steht jeder Wohnung eine baulich separierte Loggia zur Verfügung, die trotz der Straßenlage ein hohes Maß an Privatheit zulässt. Durch die Ausbildung einer eher harten Fassade zur Straße im Süden und der weicheren Filterzone im Norden werden die differenzierten Qualitäten der Außenräume gestalterisch genutzt.

Dörfliches Wohnen im Gartenhaus

Die Ost-West-orientierten „Gartenhäuser“ spielen ihre Lagegunst durch eine gestaffelte Anordnung aus und rhythmisieren den Hofraum. Sie weisen pro Etage eine größere und eine kleinere Wohneinheit auf. Mit sieben Wohneinheiten sind die Häuser übersichtlich, was einer positiven Adressbildung entgegenkommt. Aufgrund der klassischen Binnenerschließung als Zweispänner sind auch andere Wohnformen möglich, ebenso ist das Einfügen einer weiteren Kleinwohnung denkbar. Durch den unmittelbaren Freiraumbezug über die großen Balkonflächen, deren versetzte Anordnung eine optimale Belichtung der Grundrisse ermöglicht, haben die durchgängig dreiseitig belichteten Wohnungen einen hohen Wohnwert.

Erschließung

Die Wohnanlage verfügt über ein internes Erschließungs- und Wegenetz, das feinmaschig mit den örtlichen Wegen verbunden ist; damit ist gewährleistet, dass der neue Stadtbaustein sich optimal in die bestehende Bebauung einfügt. Tendenziell hierarchielos, ermöglicht dieses Wegesystem, auch künftige Bauabschnitte problemlos zu integrieren. Es nutzt die ortstypischen Blockrand-Lücken, um in Richtung Altstadt vielfältige Anknüpfungspunkte auszubilden. Mittelpunkt ist der Hofbereich, von dem aus sämtliche Wohneinheiten erschlossen werden; an der Pfinzstraße selbst gibt es keine Haus-Eingänge. Durch die Ausbildung einer Quartiers-Tiefgarage, die von Norden angefahren wird, bleibt der Hof autofrei.

Aussenraum

Der öffentliche Aussenraum ist durch ein System aus leichten Niveauversprüngen gegliedert, die präzise öffentlichere und privatere Freiräume definieren. Er greift damit die bekannten und geschätzten Qualitäten der Freiräume in der Durlacher Altstadt auf; das neue Wohnquartier ist im Gegensatz zur Altstadt jedoch stark durchgrünt. Dieses System wird ergänzt und teilweise überlagert von einem zweiten, dem der privaten Aussenräume in Form von Terrassen, Balkonen und Laubengängen. Dabei wird zwischen den Gebäudetypologien unterschieden: der Riegel erhält, einem Wohn-Regal gleich, grosse Balkonflächen, die im Norden als Stege eine Laubengang-Erschließung ermöglichen. Die Gartenhäuser verfügen über differenzierte, versetzt angeordnete Balkone und Loggien, die unterschiedliche Ausblicke ins Quartier ermöglichen und so angeordnet sind, dass eine optimale Belichtung der einzelnen Wohnungen bei geringstmöglicher Verschattung gegeben ist. Alle Gebäude verfügen über Penthouse-Wohnungen mit grosszügigen Dachterrassen, die einen Blick auf Durlachs Altstadt und zum nahen Turmberg ermöglichen.

Bauabschnitte

Da die Zukunft der noch bestehenden Gebäude an der Pfinzstraße ungewiss ist, sieht der Entwurf eine schrittweise Weiterentwicklung in Bauabschnitten vor, ohne dass diese zwingend erfolgen muss. Die straßenbegleitende Bebauung kann fortgeführt werden, die vier Gartenhäuser können um ein fünftes ergänzt werden. Beide Maßnahmen fügen sich ganz selbstverständlich in die Quartiersplanung ein und sind zeitlich unabhängig zu betrachten.

Energetisches Konzept

Die Bebauung wird unter strikter Beachtung der Nachhaltigkeit ausgeführt, sowohl was die Auswahl der Baustoffe als auch das Energiekonzept angeht. Aufgrund der Größe der Wohnanlage scheint die Versorgung über ein BHKW sinnvoll. Alle Wohneinheiten verfügen über Niedertemperatur-Heizungen und sind hoch wärmegedämmt. Die Flachdächer eignen sich zur solargestützten WW-Bereitung ebenso wie zur Stromgewinnung über Photovoltaik. Durch die gestaffelte Anordnung der einzelnen Baukörper wird die Verschattung untereinander reduziert; die großteils dreiseitige Belichtung der Wohnungen mindert außerdem den Einsatz von Kunstlicht. Die Stellung der Baukörper befördert die natürliche Durchlüftung im Quartier, alle Wohnungen lassen sich querlüften.

Materialität

Um die Ensemblewirkung der Wohnanlage nicht zu beeinträchtigen, werden die Fassadenflächen einer einheitlichen Gestaltung unterworfen. Alle Gebäude verfügen über eine helle Putzfassade mit Steinsockeln.

Art

Mehrfachbeauftragung, 2010

Ort

Karlsruhe-Durlach

Auslober

Familienheim Karlsruhe

Bearbeiter

M. Dürr | H. Baurmann | O. Neufeld | D. Nieb

Visualisierung

Stuchlik 3D

Modellbau

M.. Becker

Platzierung

1. Preis

Publikationen

[ark] Nr. 2/16, S. 24, Leinfelden 2016
Umwelt & Energie, S. 38, Worms 2014