Wohngebiet Zanderweg, Karlsruhe

SAME SAME but different – GANZ GLEICH aber anders

Das Wettbewerbsgebiet liegt am Schnittpunkt zweier Baustrukturen, die man sehr gut am Stadtgrundriss ablesen kann: die erste besteht ausgehend vom historischen Stadtkern aus einer kleinteiligen Einzelhaus- und Doppelhausbebauung, die sich am Straßennetz ausrichtet. Die Bebauung gruppiert sich mit dem anschließenden Gartenteil um eine grüne Mitte; die zweite Baustruktur besteht aus einer Zeilen- und Punkthausbebauung aus den 50er und 60er Jahren, die programmatische frei im Stadt- bzw. Grünraum stehen. Genau genommen greift die Bebauung der Nachkriegszeit mit dem nun abzubrechenden Bestand in die kleinteilige dörfliche Baustruktur.

Mit unserer neuen Bebauung klären wir die städtebauliche Situation an den Schnittstellen indem wir Einflüsse aus beiden Strukturen einarbeiten. Die Höhe übernehmen wir aus der Zeilenbebauung und führen sie in reduzierter Form an den dörflichen Bestand heran. Die verdichtete Baustruktur übernehmen wir aus der dörflichen Einzelhausbebauung. Sie richtet sich in diesem Bereich an den Straßen aus und gruppiert sich um eine grüne Mitte. Zur Nachkriegsbebauung reagieren wir mit fließenden Raum. Wir richten die neue Bebauung an dieser Stelle bewusst nicht nach der Straße aus, sondern öffnen den Raum Richtung Uferstraße und Naherholungsgebiet. Entlang der Uferstraße entsteht eine kompakte robuste Baustruktur um kleinere Höfe, die Wohnen aber auch andere Funktionen wie die geforderte Kita oder kleines Gewerbe zulässt. Durch die Ausrichtung der Bebauung an der Valentinstraße verbinden sich die beiden neuen Baugebiete wie selbstverständlich und werden zu einer Einheit, die sich sensibel in die Schnittstelle fügt.

Eine wichtige Rolle spielen die klar definierten Außenanlagen in ihrer Differenzierung von öffentlich, halböffentlich und privat.
Es werden öffentliche Platzräume geschaffen durch punktuelles Abrücken der Baukörper von der Straße an markanten Stellen des Stadtgrundrisses und es entstehen halböffentliche Grünflächen in deren Mitte. Mietergärten bilden den privaten Außenraum direkt vor den Wohnungen und schaffen so die notwendige Distanz zum halböffentlichen und öffentlichen Raum.

Neben dem Wohnen sehen wir auch öffentliche Bereiche im Gebiet an der Schnittstelle der Strukturen. Die Kreuzung von Kirschstraße, der einzigen direkten Verbindung von der Umgehungsstraße mit der Uferstraße und damit zum Übergang zum Naherholungsgebiet Fritschlach, und Rheinstrandallee beispielsweise ist eine solche Stelle. Hier könnte eine ortsbezogene kulturelle Einrichtung entstehen, die sich mit der Auenlandschaft und dem Fischerdorf Daxlanden beschäftigt. Hier ist auch die neue Kita als weiter öffentliche Einrichtung verortet, integriert in den Wohnbau.

Aber auch ohne ein Gegenüber fügt sich die neue Bebauung unverrückbar in den Stadtgrundriss ein, dank der Ausrichtung an den zwei wichtigen Straßen, der Kirschstraße die zum Ufer und der Valentinstraße, die in das Dorfmitte führt. Die Valentinstraße wird durch die Anpflanzung von Bäume auf der Ostseite der Straße zur Allee ausgebaut und wird dadurch Stadträumlich gestärkt.

Das dem Erläuterungsbericht vorangestellten Sprichwort „SAME SAME but different" gilt zum einen den Fassaden der neuen Siedlung. Immer gleiche Fassadenelemente aber mit unterschiedlicher Materialisierung und Farbgebung sorgen für die Heterogenität in dem Erscheinungsbild der Siedlung. Es wechseln sich Putzflächen mit Holzverkleidungen ab, Fenster mit Brüstungsriegel mit französischen Fenstern. Der verschiedenfarbige textile Sonnenschutz unterstützt den differenzierten Eindruck. Die Fassaden und deren Materialität sind neben den Außenräumen sehr wichtig für die Atmosphäre im Quartier. Die horizontale Gliederung der Wohngebäudefassaden durch abgesetzte helle Bänder ist wichtig für eine verträgliche Maßstabswahrnehmung. Die scheinbar freie Anordnung der Balkon macht das Quartier unverwechselbar und schafft zusammen mit der variantenreichen Materialität eine identitätsstiftende Atmosphäre.

Aber auch die Grundrisse und die Lagen der Wohnungen folgen diesem Sprichwort. Immer zweiseitig belichtet mit Loggia oder Balkon, aber nach verschiedenen Himmelsrichtungen orientiert erhöht sich auch hier die Varianz beim Wohnen. Trotz der typologisch gleichen Häuser entsteht so ein lebendiges Erscheinungsbild einer Siedlung, das wiederum Spiegel unserer diversen Gesellschaft sein kann.

Dem Außenraum kommt bei dieser Art der Bebauung eine ganz besondere Bedeutung zu. Die Atmosphäre des Quartiers hängt hauptsächlich von der Qualität des Außenraums, seiner Nutzungsangebote und deren tatsächlichen Nutzbarkeit ab. Hier werden Nähe oder Distanz, soziales Miteinander oder Anonymität, Lebendigkeit oder Ruhe angelegt. Wichtig sind die klare Zuordnung der Flächen und die Verbringung des ruhenden Verkehrs „unter die Erde". Gleichzeitig müssen Fahrradabstellplätze oberirdisch in der Nähe der Eingangsbereiche angeordnet werden. Insgesamt wird die Idee der „durchgrünten Stadt" damit neu interpretiert. Die gängigen Konventionen des undifferenzierte „fließende Raum" in einer der Häuser umgebenden parkartigen Landschaft gilt nicht mehr. Allen Flächen werden eindeutige Funktionen zugewiesen: Gärten, Plätze, Spielflächen, Wege, Gässchen etc. Dabei ist die Abstufung von öffentlich, halböffentlich und privat das erste Gebot, wie oben schon ausgeführt.

Die mehrgeschossigen Wohngebäuden sind als Punkthäuser mit zentraler Erschließung organisiert. In der Regel werden vier Wohnungen pro Geschoss über einen lichten Hof mit Treppe und Aufzug erschlossen. Der Gebäudegrundriss erscheint als Abfolge konzentrischer Rechtecke. Im inneren Rechteck des Hauses befindet sich die Eingangshalle als Zentrum. Darum legt sich die Erschließungs- und Installationszone mit Fluren und Duschbädern. Darauf folgt eine gro߬zügige Raumzone mit Zimmern, Bädern, Küchen und Wohnräumen. Die äußere Raumzone ist flexibel einteilbar, da nur die Wände der Erschließungs- und Installationszone und der Außenfassade tragend ausgebildet und daher unveränderlich sind. Aufgrund dieser Konstruktion ist ein flexibler Wohnungsmix möglich. Jede Wohnung ist nach zwei Himmelsrichtungen orientiert, um die Wohnung gut zu belichten und den Ausblick nach zwei Seiten zu bieten. Zudem ist eine gute Querlüftung gewährleistet.

Die großzügigen Gärten gefasst durch Gräser und Hecken bietet den Erdgeschosswohnungen einen geschützten, privaten Gartenbereich. Darüber hinaus sind allen Wohnungen Terrassen, Balkone oder Loggien zugeordnet, die sich in das Gebäudevolumen schieben, um auch hier einen vor Blicken geschützten Außenraum zu bieten. Die Balkone und Terrassen sind gut nutzbar und grenzen seitlich nie an einen benachbarten Außenraum, was die Privatsphäre nochmal deutlich erhöht. Die grüne Mitte ist ein halböffentlicher Raum, der allen zu Gute kommt. Angelegt als Wiese mit „kleinen Wäldchen", die als Baumgruppen eingestreut sind, soll sie „natürlichen" Raum für die Kinder zum Spielen bieten und den Erwachsenen zum ungezwungenen Treffpunkt werden.

Die kompakten Baukörper und das günstige A-V-Verhältnis sind die beste Voraussetzung, um einen guten KFW-Standard kostengünstig umzusetzen. Außerdem lassen die geringen Spannweiten zwischen den Raumzonen von ca. 4,50 m eine wirtschaftliche Ausführung zu.

 

Art

Städtebaulicher Realisierungswettbewerb, 2019

Ort

Karlsruhe-Daxlanden

Auslober

Volkswohnung GmbH

Bearbeiter

M. Dürr | K. Oldörp | M. Dürrwächter | K. Hofer

Fachberater

E. Ukas Landschaftsarchitektur

Visualisierung

Stuchlik 3D

Modellbau

werkplan

Publikationen

competitionline 21.11.2019
wettbewerbe aktuell 01/2020