Evangelische Kirche, Leutesheim

Die Sanierung einer Kirche ist stets ein zwiespältiges Unterfangen, handelt es sich doch nicht nur um ortsbildprägende, städtebaulich markante Gebäude, sondern zugleich um einen religiös aufgeladenen Ort, der der Gemeinde als gemeinschaftliches „Zuhause" dient und oft über mehrere Generationen als Ort familienprägender Momente großer Freude, aber auch von Trauer und Schmerz erinnert wird. Greift man als Planer, noch dazu als Außenstehender, folglich nicht mit diesem Ort biographisch Verbundener ein, stört man zwangsläufig ein komplexes System von großer Relevanz für das soziale und geistliche Zusammenleben aller Bürger eines Ortes. Die identitätsstiftende Wirkung von Kirchenräumen wird gemeinhin unterschätzt, und so nimmt es nicht Wunder, dass es in der Vorbereitung anstehender Sanierungs- und Restaurierungsmaßnahmen an Kirchenräumen zu hoch emotionalen Diskussionen innerhalb der Kirchengemeinden kommt. Diese als Planer wertzuschätzen und für die Planung nutzbar zu machen, ist ein langwieriger, von manchen Umwegen geprägter Prozess, dessen Ausgang selten klar bestimmbar ist.

Für das Gelingen dieses Prozesses ist es unabdingbar, dass der Planer ein nachvollziehbares, eindeutiges Konzept verfolgt, ohne starr daran festzuhalten. Es muss im Gegenteil so flexibel sein, dass es sich während der meist Jahre währenden Diskussionen der jeweiligen Erkenntnislage anpassen lässt, ohne die zugrundeliegende Idee verleugnen oder aufgeben zu müssen. Gelingt der Spagat zwischen planerischen Vorstellungen, restauratorischen Notwendigkeiten und den zuweilen stark davon abweichenden Befindlichkeiten der Gemeinde jedoch, ist das Ergebnis oft überraschend: nicht das spektakuläre, einmalige, großartige Moment präsentiert sich uns, sondern eine ruhige, bescheidene, im besten Fall geradezu gelassene Stimmigkeit des Werks.

Die Sanierung der Pfarrkirche von Leutesheim ist für uns ein gutes Beispiel für das Gelingen dieses Prozesses, wobei hervorzuheben ist, dass die durchaus langwierigen Abstimmungsprozesse zwischen allen Beteiligten stets von großem gegenseitigem Respekt geprägt waren. Die architektonische Grundidee ist rasch beschrieben: es ging uns um die Frage der Angemessenheit einer denkmalgerechten Sanierung im Hinblick auf die Lage, Größe und Funktion der Kirche, zugleich aber auch um ein „In-Wert-Setzen" des bescheidenen Gebäudes – und natürlich um baukonstruktive wie funktionale Verbesserungen.

Die Flexibilität des der Sanierung zugrundeliegenden gestalterischen Konzeptes wurde in diesem Fall erst sehr spät, inmitten der Ausführung der Gesamtmaßnahme, getestet. Geplant war, den erhöhten Chorraum in Form eines Altarpodestes weit in den eigentlichen Kirchenraum hineinzuziehen, um den Ort der Handlung deutlicher als bisher zu markieren und die Chorstufe als Podeststufe besser in den Raum zu integrieren. Beim Abbruch des alten Bodenbelags stieß man jedoch auf mehrere Schichten historischer Bodeneinbauten in unterschiedlicher Höhenlage und entschloss sich letztlich, den Boden bis auf das ursprüngliche Niveau herauszunehmen. Monatelange Diskussionen über Flexibilität bzw. Unflexibilität des Altarraums wurden mit einem Strich beendet, und der einst so gedrungene Chorraum bekam stolze 16 cm mehr Höhe, was ihm und den Gesamtproportionen des Raumes zweifelsohne guttut.

Weitere Abweichungen vom ursprünglichen Konzept nahmen wir bei der Behandlung der Bankspiegel, des Wandputzes oder der Fensterbänke vor, und auch das Farbkonzept und die restauratorischen Maßnahmen an der Friesbemalung wurden mehrfach geändert, während das heiztechnische Konzept einer Warmluftheizung mit Bodenstationen samt Demontage der störenden Wandheizkörper zwar oft in Frage gestellt, aber letztlich nicht verlassen wurde. Vieles, was dem Besucher heute frisch gestrichen vorkommt, war durch eine einfache Reinigung zu erreichen, und auch die wertvollen Fresken an der Chorbogenwand wurden lediglich gereinigt und gesichert.

Auch das Lichtkonzept hat Einfluss auf die frische Wirkung des „neuen" alten Raumes. Lange wurde um die richtige, angemessene Lösung gerungen, und es zeigte sich, dass der durch die Seitenempore asymmetrisch zonierte Innenraum alles andere als einfach zu beleuchten war. Nach jener Einfachheit aber suchten wir gemeinsam mit den Lichtplanern, sollte doch jeder museale oder gar kommerzielle Charakter der Beleuchtung vermieden werden. Die nun gefundene Lösung mit einem zentralen Ringleuchter, auf der historischen Holzdecke verteilten Tiefstrahlern und einer Lichtlinie an den Chorwänden mag außergewöhnlich für eine Dorfkirche sein, aber sie scheint uns sowohl den funktionalen Erfordernissen wie der räumlichen Wirkung Rechnung zu tragen und eine Atmosphäre zu schaffen, die der geistlichen Bestimmung des Raumes förderlich ist.

Die Gestaltung der neuen Prinzipalstücke, die uns ebenfalls übertragen wurde, orientiert sich in ganz besonderer Weise an dem vorbeschriebenen Konzept der Einfachheit und Schlichtheit. Die Frage nach der Angemessenheit verlangte nach einer bodenständigen Lösung, die wir mit dem Entwurf archetypischer Elemente in einer handwerksgerechten Ausführung beantworteten. Gefertigt aus heimischer Weißtanne, atmen die Prinzipalien für uns jene „stille Einfachheit", die Goethe mit der „edlen Größe" in Verbindung brachte. Damit stehen sie zusammenfassend für das gesamte Restaurierungskonzept und schlagen zugleich durch ihre klare, zeitgenössische Formensprache den Bogen in unsere heutige Zeit, dienen sie doch einer modernen, aufgeschlossenen und lebendigen Gemeinde.

Ort

Leutesheim bei Kehl, Badener Str. 33

Bauherr

Evangelische Stiftung Pflege Schönau

Projektleitung

H. Baurmann

Bearbeiter

I. Schichel

Bauleitung

J. Hakenjos

Fachberater

lighting architects

Planung

2013 - 2014

Realisierung

2014 - 2016

Fotos

Ch. Buck

Nutzfläche

270 m2 

Leistungsphasen

2 - 9

Bruttobaukosten

600.000 €